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Eine förmliche Explosion
Die rasante Entwicklung der freien Tanzszene in Mannheim - Künstler vom Felina-Areal kooperieren mit dem Nationaltheater
Von Isabelle von Neumann-Cosel
"E2-E4" - nach der berühmtesten Schach-Eröffnung, betitelte der Berliner
Komponist und DJ Manuel Göttsching vor gut 40 Jahren eine 60-minütige
elektronische Komposition. Das Stück sollte nicht nur zu einem Klassiker der
elektronischen Musik, sondern auch zum Wegbereiter für Stilrichtungen wie House
und Techno werden. Der geniale Musiker und Komponist hat sein "E2-E4", das
trotz der Beschränkung auf zwei Akkorde schier endlose Improvisation erlaubt,
nur ein paar Mal selbst live gespielt. Dass er es zum 40-jährigen Jubiläum
Anfang des Jahres ausgerechnet in Mannheim persönlich aufführen wollte, gleicht
einer Sensation. Viel eher hätte man so ein Event in Berlin vermutet, und wenn
schon in der Quadratestadt, dann in einem großen Club.
Aber es kam ganz anders: Manuel Göttsching starb unerwartet, und das Jubiläum
wurde zur Hommage - eingebettet in eine Tanzuraufführung in einem der
kleinsten, aber aktivsten Theater der Stadt, dem Theater im Felina-Areal. Auf
der Tanzbühne - natürlich ein Schachbrett - agierten zwölf höchst
unterschiedliche Vertreter der umtriebigen freien Szene in Mannheim: mit dabei
die russische Ausnahmetänzerin Sade Mamedova, der langjährige Leiter des
Bewegungschores am Nationaltheater, Luches Huddleston jr., oder junge
Tänzerinnen und Tänzer mit Erfahrungen in urbanen Tanzstilen. Es war diese
Produktion, so erklärte es Angela Wendt - als Dramaturgin in viele regionale
Tanzprojekte involviert - die als Katalysator für die lebhafte regionale freie
Tanzszene im Rhein-Neckar-Raum gewirkt hat. Sascha Koal, Hausherr des von ihm
gegründeten (und aus einer ehemaligen Werkstatt auf dem Felina-Gelände in der
Mannheimer Neckarstadt sozusagen eigenhändig ausgebauten) Theaters, schaut auf
ein Jahr zurück, in dem die Tanzszene in seinem Haus förmlich explodiert ist.
Nachdem um die Jahrtausendwende freier Tanz in Mannheim praktisch nicht
existierte, schätzt er das regionale Netzwerk aktuell auf rund 100 Tänzerinnen
und Tänzer, Choreografinnen und Choreografen - Tendenz steigend. Dass Koal in
seinem Theater trotz knapper Mittel in einen professionellen Tanzboden
investiert hat, spricht Bände für ein ernsthaftes Engagement. Inzwischen kommt
es vor, dass Tanzschaffende aus Berlin in die Quadratestadt ziehen oder
Absolventen der Mannheimer Tanz-Hochschule nach Abschluss ihres Studiums gar
keine Festanstellung in einem etablierten Ensemble suchen, sondern sich lieber
gleich in eigene Produktionen in der freien Szene stürzen.
Eine Erklärung des Mannheimer Tanzbooms könnte sein, dass hier Akteure ganz
unterschiedlicher Generationen, Erfahrungen und Stilrichtungen zwanglos
aufeinandertreffen und Synergien freisetzen. Und Stephan Thoss, Tanzdirektor am
Nationaltheater, fördert sogar das zusätzliche freie Engagement seiner
Kompanie-Mitglieder: Geprobt werden darf gelegentlich sogar im Tanzhaus des
Nationaltheaters. Auch die neue leitende Professorin der Mannheimer
Tanzhochschule, Agnès Noltenius, seht den selbständigen Arbeiten der Mannheimer
Studierenden offen gegenüber - ganz anders als ihre Vorgängerin Birgit Keil.
Erstaunlicherweise gelingt das kollegiale Miteinander in der Tanzszene ohne
Streit um die generell begrenzten finanziellen Ressourcen und Fördermittel -
für jedes einzelne Projekt müssen die entsprechenden Mittel eingeworben werden.
Ein Traum für alle Akteure wäre ein Mannheimer Produktionshaus für den Tanz,
wie es andernorts schon für weit weniger Beteiligte zur Verfügung steht.
Freilich ist völlig ungewiss, ob dieser Traum je in Erfüllung geht. Einstweilen
bleiben die Produktions- und Aufführungsbedingungen beengt, auch wenn Sascha
Koal dem Tanz im Felina-Theater weiterhin mehr Zeit und Raum einräumen will.
Zu den weiteren Hauptakteuren in der freien Szene in Mannheim gehört das
EinTanzhaus in der ehemaligen Trinitatiskirche mit einem zwischen Tanz,
Performance und Party changierenden Programm. Hier werden auch überregionale
Gastspiele organisiert. Am Haus etabliert ist zudem eine eigene Junior Dance
Company. Eric Trottier, Mitbegründer des EinTanzhauses und des neuen LABs im
Jungbusch (einem Experimentierfeld für den Einsatz digitaler Medien in Tanz und
Performance), darf sich seit 2020 über eine Exzellenz-Förderung des Landes für
seine Company freuen.
Am Beispiel der Quadratestadt wird sonnenklar, dass der Gegensatz zwischen
freier und institutionalisierter Tanzszene einem veralteten Schubladendenken
entspricht: Vielfach bespielen dieselben Akteure beide Szenen. In Heidelberg
kooperieren das Städtische Theater und das freie UnterwegsTheater auf Augenhöhe
und haben gemeinsam ein Choreografisches Centrum und herausragende
Tanzfestivals realisiert. Freilich haben nur die großen Häuser auch das nötige
Geld für große Produktionen zur Verfügung. Trotzdem sind in der regionalen
Tanzszene weiterhin unverhoffte Entdeckungen möglich - zum Beispiel die
Wiederaufnahme der Interdisziplinäre Tanz-und Filminstallation von Darja
Reznikova "XE [zi:]" im Alten Stromwerk in Mannheim (bis 23. Juli).
© Rhein-Neckar-Zeitung GmbH
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